«Ein Schritt nach vorn»
Seit über zehn Jahren arbeitet Christoph Wiedemann als Pädagoge im Kinder- und Jugendheim GHG Riederenholz. Dabei leitete er über viele Jahre das Team im Jugendhaus. Seit Anfang Jahr hat er – unter dem Dach der GHG – die Institutionsleitung übernommen.
Christoph Wiedemann, das Kinder- und Jugendheim Riederenholz gehört seit Anfang 2024 zur GHG. Wie gut ist der Übergang gelaufen?
Insgesamt sehr gut! Für das Team bringt vor allem der administrative Wechsel gewisse Herausforderungen mit sich. Telefonie, Zeiterfassung und Buchhaltung laufen über Systeme, in die wir uns einarbeiten müssen. Am wichtigsten aber ist: Für die Kinder und Jugendlichen war der Trägerschaftswechsel kaum spürbar. Sie verbringen ihren Alltag in gewohnten Abläufen und die Sicherheit ist jederzeit gewährleistet.
Wie ist es für dich und das Team, nun unter der GHG zu arbeiten?
Es ist ein Schritt nach vorn. Denn die neue Aufstellung stellt sicher, dass es uns weiterhin gibt und dass wir uns als Institution weiterentwickeln können.
Was war deine erste Handlung als Institutionsleiter unter der GHG?
Ich kam am 1. Januar an meinen gewohnten Arbeitsplatz. Ich habe allen ein gutes neues Jahr gewünscht und mit den Jugendlichen gebruncht. Insofern ging alles in gewohnter Manier weiter.
Du bist bereits seit über zehn Jahren in diesem Haus tätig. Einige der Kinder hast du dabei über eine sehr lange Zeit begleitet …
Zehn Jahre Begleitung bedeuten einen zehn Jahre langen Beziehungsprozess. Die Kinder und Jugendlichen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Es entstehen familiäre Bindungen, die auch nach der Zeit im Wohnheim noch von Bedeutung sind.
Kannst du das Angebot der GHG Riederenholz in wenigen Worten umschreiben?
Wir bieten Kindern und Jugendlichen temporär oder längerfristig eine Wohnmöglichkeit und ein Beziehungsangebot. Unser oberstes Ziel dabei ist, dass sie ihr Leben selbstverantwortlich in die Hand nehmen können. Wir unterstützen und begleiten sie im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung, damit sie später eigenständig in der Gesellschaft zurechtkommen.
Im Wohnheim werden Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen aufgenommen. Was genau ist damit gemeint?
Die Kinder und Jugendlichen, die zu uns kommen, haben zuvor in Verhältnissen gelebt, in denen es an elterlicher Verantwortungsübernahme mangelte. Das kann verschiedene Gründe haben, wie etwa, dass Eltern ihre Kinder mit Suchtverhalten, Gewalt, Übergriffen oder Streit belasten. Wenn die Kinder nicht zu dem kommen, was ihnen eigentlich zusteht, häufen sich die Schwierigkeiten. Grundsätzlich kommen wir immer dann zum Einsatz, wenn das Kind in seiner Entwicklung leidet oder gestört wird. Dabei ist wichtig, dass wir die Kinder nicht von den Eltern wegnehmen. Es geht in erster Linie darum, die Eltern zu entlasten. Die Kinder bleiben mit ihnen in Kontakt und können sie an den Wochenenden besuchen.
Die GHG Riederenholz betreibt das Haupthaus (unten) für die kleineren Kinder und das Jugendhaus (oben rechts) für die Grösseren.
Wie unterscheidet sich der Alltag der betreuten Kinder und Jugendlichen von demjenigen anderer Kinder?
Möglichst wenig – zumindest ist das unser Ziel. Unsere Kinder und Jugendlichen gehen in die öffentliche Schule, haben eine Hausaufgabenbetreuung und mindestens einmal am Tag ein warmes Essen. Wir sorgen dafür, dass ihre Grundbedürfnisse befriedigt werden, damit sie lernen und sich entwickeln können. Dabei haben auch Konflikte Platz. Gerade die Jugendlichen rebellieren manchmal, wie sie es auch im Elternhaus tun würden. Auch dies gehört dazu.
Welche Schwerpunkte werden in der Betreuung gesetzt?
Es ist für uns zentral, dass wir mit dem gesamten System des Kindes arbeiten. Dazu gehören Eltern, Beistände, die Schule oder auch der Arbeitgeber, wenn es um die Ausbildung geht. Die Kinder und Jugendlichen sollen bei uns möglichst viel Normalität erfahren. Auch in der Freizeitgestaltung. Sie sind in Vereinen aktiv und dürfen ihre Bezugspersonen, Freundinnen und Freunde zu uns einladen. Das soziale Netz ist ein essenzieller Bestandteil unserer Betreuung.
Gibt es auch Fälle, in denen die Kinder und Jugendlichen wieder nach Hause zu ihren Eltern zurückkehren?
Bei den Jugendlichen, die erst mit 14 oder 15 Jahren zu uns kommen, passiert das eher selten. Oft kommen sie sogar freiwillig zu uns, weil sie zu Hause einer Umgebung ausgesetzt waren, die von Streit oder gar Gewalt geprägt war. Bei jüngeren Kindern gibt es immer wieder Fälle, in denen sich das familiäre System stabilisiert. Wir nehmen die Kinder so lange auf, wie es für sie keine bessere Möglichkeit gibt.
Was wird sich in der GHG Riederenholz unter dem GHG-Dach verändern?
Wir werden einen noch grösseren Fokus auf die Kinderrechte legen. Das heisst, wir werden die Partizipation und Mitbestimmung ins Zentrum unseres Tuns stellen. Als Institutionsleiter setze ich mich dafür ein, dass unsere humanistischen Grundsätze nicht nur auf dem Papier bestehen.
Und was heisst das für die Mitarbeitenden?
Für sie heisst das, dass sie sich in ihren erzieherischen Grundhaltungen immer wieder hinterfragen und offen für Neues sein müssen.
Was gefällt dir an deinem Job als Institutionsleiter?
Ich habe die Möglichkeit, eine ganze Institution mitzugestalten und bin in die pädagogischen Prozesse direkt involviert. Es ist zudem immer schön, wenn wir in unserer Arbeit durch Erfolgserlebnisse bestätigt werden. Etwa, wenn Jugendliche ihre Freunde mitbringen und diese sagen: «Boah, du hast ja ein echt cooles Zuhause.»